Borussia Dortmund hat an der Sensation geschnuppert und seine Fans mit einer Gala-Vorstellung - leider ohne Happy-End - entzückt. Trotz eines gleichermaßen beeindruckenden wie überragenden Auftritts im Viertelfinalrückspiel der Champions League gegen Real Madrid fehlte dem BVB am Ende das nötige Quentchen Glück - und das dritte Tor - zum Erreichen des Halbfinales.Vor 65.829 begeisterten Zuschauern im ausverkauften Westfalenstadion gewannen die Schwattgelben durch zwei Tore von Marco Reus mit 2:0. Die von unglaublichem Verletzungspech gebeutelte Mannschaft von Jürgen Klopp beherrschte die mit Weltstars gespickten Madrilenen, konnte aber aus einer Vielzahl von hochkarätigen Torchancen kein weiteres Kapital schlagen. Somit verabschiedete sich der BVB nicht nur erhobenen Hauptes aus dem diesjährigen Wettbewerb der Königsklasse, sondern dürfte durch sein Auftreten auch die Herzen vieler neutraler Fußballfans erobert haben.
Neben den fünf Langzeitverletzten Subotic, Gündogan, Bender, Schmelzer und Blaszczykowski fehlte Kapitän Sebastian Kehl gelbgesperrt. Zudem fiel Nuri Sahin mit Rückenproblemen für die Startelf aus und saß lediglich auf der Bank. Jürgen Klopp überraschte mit der Nominierung Manuel Friedrichs als zweitem Innenverteidiger neben Mats Hummels. Sokratis mußte für den Routinier auf die Bank. Für Sahin und Kehl begannen Oliver Kirch und Milos Jojic. Letzterer feierte damit sein Startelf-Debut für den BVB.
Bei den Gästen aus der spanischen Hauptstadt fehlte Cristiano Ronaldo mit Knieproblemen. Der Portugiese saß zwar auf der Bank, kam aber nicht zum Einsatz. Für ihn nominierte Carlos Ancelotti Illarramendi für die Startelf.
SPIELVERLAUF
Dortmunds Plan war schnell erkennbar. Im 4-1-4-1-System angeordnet sollte Real früh attackiert und angelaufen und somit möglichst vom eigenen Tor ferngehalten werden. Die tief stehenden Gäste wollten durch viel Ballbesitz den erwartungsgemäß giftigen Dortmundern den Wind aus den Segeln nehmen.
Weidenfeller pariert di Marias Strafstoß (Foto: kicker) |
Fortan intensivierte Borussia sein Pressing und kam schnell zur ersten großen Tormöglichkeit (Mkhitaryan, 19.) und kurz darauf durch Reus zum 1:0 (24. Minute). Der Nationalspieler sprintete in eine Kopfballrückgabe von Pepe und schob das Leder zur Dortmunder Führung ein. Das Westfalenstadion bebte.
Scheinbar mühelos kam der wie in besten Zeiten pressende und kombinierende BVB nun zu Möglichkeiten (Hummels, 32.) und schließlich zum 2:0. Erneut war es Marco Reus, der einen vom Pfosten zurückprallenden Lewandowski-Schuß eiskalt versenkte (37.). Das Stadion glich nun einem Tollhaus. Alle glaubten plötzlich an das Wunder. Mit viel Glück rettete sich Real gegen eine wie entfesselt aufspielende Borussia in die Pause.
Begeistert von seiner Elf: Jürgen Klopp (Foto: kicker) |
Danach übernahm aber wieder der BVB das Zepter und drängte auf das dringend benötigte dritte Tor. Glänzend von Reus freigespielt setzte Mkhitaryan das Leder nur an den Pfosten, der Nachschuß von Großkreutz wurde von Ramos abgeblockt (65.). Erneut Mkhitaryan scheiterte dann in der 68. Minute nach toller Vorarbeit von Reus und Lewandowski am starken Casillas (68.). Dieser rettete mit einer weiteren Großtat nur zwei Minuten später nochmals gegen Großkreutz. Aus BVB-Sicht war es zum Haareraufen. Danach schienen bei Borussia die Kräfte ein wenig zu schwinden. Zwar blieb der BVB überlegen, konnte sich aber keine großen Gelegenheiten mehr erspielen.
Real scheiterte in der Schlußphase bei ihren durchaus gefährlichen Entlastungsangriffen durch Benzema und Bale am überragenden Weidenfeller. So blieb es bis zum Schluß hochspannend - allerdings ohne Happy End für eine begeisternd und teilweise furios aufspielende Borussia.
ANALYSE
Die "Galaktischen" taumelten und wankten bedenklich - und lediglich ein einziges Tor fehlte unseren Jungs, um Real Madrid mindestens in die Verlängerung zu zwingen. Die Art und Weise, mit der die von vielen totgesagten Borussen den nach dem 3:0-Hinspielsieg hochgelobten Favoriten doch noch an den Rande des Viertelfinal-K.o.´s brachten, nötigt jedoch jedem Augenzeugen dieses spektakulären Fußball-Abends Respekt ab. Mit dem Mute der Verzweiflung hätte der BVB trotz seines restlos ausgedünnten Kaders beinahe für eine der größten Sensationen der gesamten Europapokal-Historie gesorgt.
Jubel bei Jojic und Reus nach dem 1:0 (Foto: kicker) |
Oliver Kirch beispielsweise agierte taktisch als einziger Sechser dermaßen souverän, daß der Eindruck entstehen konnte, er hätte sein Leben lang nichts anderes gemacht. Der Routinier gewann nahezu jeden Zweikampf, entpuppte sich als effektiver Abfangjäger für Madrids Angriffsversuche durchs Zentrum und trug mit erstaunlich hoher Paßgenauigkeit maßgeblich zu etlichen mustergültigen Angriffen der Borussia bei.
Milos Jojic, das 21jährige serbische Talent, stand ihm in nichts nach. Zwar unterliefen dem Winter-Neuzugang einige Abspielfehler, doch verkörperte er in beeindruckender Art und Weise gemeinsam mit Kirch die wichtige Balance zwischen Offensive und Defensive im Spiel des BVB.
Beeindruckend auch Manuel Friedrich. Der ehemalige Nationalspieler spielte eine nahezu fehlerfreie Partie und sicherte mit unglaublicher Souveränität die Offensiv-Ausflüge seines Nebenmannes Mats Hummels ab. Dieser wiederum gewann sensationelle 89 % seiner Zweikämpfe und war gleichzeitig Initiator zahlreicher vielversprechender Angriffsaktionen. Der Nationalverteidiger dürfte den vor Ort weilenden Bundestrainer ebenso restlos überzeugt haben wie alle anderen WM-Kandidaten des BVB.
Zweikampf Großkreutz / Carvajal (Foto: kicker) |
Im Offensivbereich stellte Henrikh Mkhitaryan den tragischen Helden dar. Der Armenier, diesmal von der rechten Außenbahn agierend, hätte zum Matchwinner für den BVB werden können. Drei hochkarätige Torchancen boten sich dem quirligen Mittelfeldspieler - keine konnte er nutzen. Aber kein Vorwurf an "Miki", denn der Armenier bot ansonsten eine fußballerisch und kämpferisch überragende Vorstellung. Nahezu sämtliche seiner Aktionen hatten Hand und Fuß und beschworen permanent Gefahr für das Tor der Madrilenen herauf.
Nicht in den Griff zu bekommen war an diesem Abend auch Marco Reus. Dem Nationalspieler gelang nicht nur der erste CL-Doppelpack seiner Karriere. Reus stellte die Real-Abwehr mit seinen gleichermaßen zielstrebigen wie auch virtuosen Aktionen ein ums andere Mal vor schier unlösbare Probleme.
Robert Lewandowski, im Vorfeld der Partie zum großen schwattgelben Hoffnungsträger auserkoren, agierte in seinem letzten CL-Spiel für den BVB zwar nicht ganz so spektakulär wie sein kongenialer Offensiv-Partner. Aber der Pole ackerte unermüdlich, schuf immer wieder Räume für die nachrückenden Mittelfeldspieler und setzte diese mit seiner fußballerischen Klasse ein ums andere Mal auch gekonnt in Szene (Mkhitaryan, Reus).
Nach dem Schlußpfiff: Klopps Dank an die Fans (Foto: kicker) |
Mein im Vorfeld niedergeschriebener und an anderer Stelle dieses Blogs veröffentlichter Traum wurde also nicht wahr. Aber wenn die erste und vollkommen normale Enttäuschung gewichen ist, wird sich unbändiger Stolz in mir breitmachen. Der Stolz, Herzblut-Fan dieses fantastischen Vereins und dieser großartigen und charakterstarken Mannschaft zu sein.
Für den weiteren Saisonverlauf gilt es nun, die gesteckten Ziele auf nationaler Ebene zu erreichen. In der Bundesliga trifft der BVB am Samstag in der Allianz-Arena auf Meister Bayern München. Neben wichtigen Punkten zur Stabilisierung des direkten CL-Platzes für die neue Saison geht es beim Duell mit der Guardiola-Elf natürlich auch ums Prestige.
Und im DFB-Pokal-Halbfinale kommt es nächsten Dienstag im Westfalenstadion zum erneuten Aufeinandertreffen mit dem VfL Wolfsburg. Nach dem 2:1-Sieg in der Bundesliga vom vergangenen Wochenende will Borussia die Wölfe erneut bezwingen und erstmals nach 2012 ins Berliner Finale einziehen.
Die PK mit Jürgen Klopp nach dem Spiel (präsentiert von SportLiveDortmund)
Die PK mit Jürgen Klopp nach dem Spiel (präsentiert von SportLiveDortmund)
DIE STATISTIK
Borussia Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Friedrich, Hummels, Durm – Kirch – Mkhitaryan, Jojic, Reus, Großkreutz – Lewandowski
Real Madrid: Casillas – Carvajal, Pepe, Sergio Ramos, Fabio Coentrao – Illarramendi, Xabi Alonso, Modric – di Maria, Benzema, Bale
Einwechselungen: 81. Aubameyang für Piszczek - 46. Isco für Illarramendi, 73. Casemiro für di Maria, 90.+2 Varane für Benzema
Tore: 1:0 Reus (24., Friedrich), 2:0 Reus (37., Lewandowski)
Schiedsrichter: Skomina (SVN)
Real Madrid: Casillas – Carvajal, Pepe, Sergio Ramos, Fabio Coentrao – Illarramendi, Xabi Alonso, Modric – di Maria, Benzema, Bale
Einwechselungen: 81. Aubameyang für Piszczek - 46. Isco für Illarramendi, 73. Casemiro für di Maria, 90.+2 Varane für Benzema
Tore: 1:0 Reus (24., Friedrich), 2:0 Reus (37., Lewandowski)
Schiedsrichter: Skomina (SVN)
Gelbe Karten: Reus, Aubameyang, Großkreutz - Xabi Alonso, Sergio Ramos, Carvajal, Casemiro, Benzema
Zuschauer: 65.829 (ausverkauft)
Zuschauer: 65.829 (ausverkauft)
"Wir hätten in Madrid besser spielen können. Da
war Real die klar bessere Mannschaft. Im Rückspiel waren wir die
bessere Mannschaft, haben aber nur 2:0 gewonnen, und so scheidet man
aus. Es ist, wie es ist. Wir hätten in Madrid ein Tor schießen müssen.
Dann wären wir weiter.
Von Henrikh Mkhitaryan war es war ein überragendes Spiel. Wirklich überragend! Er hatte zwei Momente, die jeder, der einmal Fußball gespielt hat, auch schon erleben musste – vor allem in einer Phase, wo einem das Toreschießen nicht so leicht fällt. Es wäre cool, wenn man das Spiel als Ganzes betrachtet und nicht an zwei verpassten Torchancen festmacht. Wir hatten heute noch einige weitere Möglichkeiten – und fünf Riesenchancen im Hinspiel in Madrid. Mit einem Tor dort und heute einem 2:0 wären wir durch gewesen. Unter einer Million Möglichkeiten auszuscheiden, war das dennoch die beste.
Von Henrikh Mkhitaryan war es war ein überragendes Spiel. Wirklich überragend! Er hatte zwei Momente, die jeder, der einmal Fußball gespielt hat, auch schon erleben musste – vor allem in einer Phase, wo einem das Toreschießen nicht so leicht fällt. Es wäre cool, wenn man das Spiel als Ganzes betrachtet und nicht an zwei verpassten Torchancen festmacht. Wir hatten heute noch einige weitere Möglichkeiten – und fünf Riesenchancen im Hinspiel in Madrid. Mit einem Tor dort und heute einem 2:0 wären wir durch gewesen. Unter einer Million Möglichkeiten auszuscheiden, war das dennoch die beste.
Ich
bin sehr stolz auf das Bild, das Borussia Dortmund heute Abend
abgeliefert hat. Für mich gibt es eine entscheidende Szene. Xabi Alonso,
den ich über alles schätze, aber das war ein taktisches Foul, und dafür
gibt es eine Gelbe Karte, und wenn man schon eine hat, geht man dann
raus. Das war nach 52 Minuten. Und dann wäre es bei der Wucht, die wir
heute hatten, schwer geworden für Real Madrid.
Ich
bin aber kein Freund davon, strittige Entscheidungen des Schiedsrichters nachträglich auszubreiten. Es sind viele Wege in
Ordnung, um weiterzukommen. Wir haben Real so unter Druck gesetzt, dass
sie zu einem Mittel greifen mussten, zu dem sie sonst nicht greifen
müssen.
Milos Jojic ist erst 21 Jahre alt, er macht sein
erstes Spiel für Borussia Dortmund von Anfang an, und das gleich in der
Champions League gegen Real Madrid. Soviel Selbstverständlichkeit habe
ich selten erlebt. Oli Kirch ist die größte Entwicklung, die ich je bei
einem 30-Jährigen gesehen habe. Es hat gedauert bei ihm, aber er war
heute brutal stark. Manuel Friedrich möchte noch ein Jahr in Asien
spielen. Der Klub, der ihn holt, bekommt einen Top-Spieler und einen
Jungen, der so fit ist, dass man selber nochmal darüber nachdenken
sollte, ob man ihn nicht nochmals an sich bindet.
Nuri hat Rückenprobleme. Es wird von Tag zu Tag besser, ist aber noch nicht perfekt. Und Papa brauchte einfach mal eine Pause. Am Samstag wird es bei beiden wieder gehen."
MEINE BVB-NOTEN
Weidenfeller (1), Piszczek (2,5), Friedrich (2), Hummels (2), Durm (2), Kirch (1,5), Jojic (2), Großkreutz (2), Mkhitaryan (2,5), Reus (1), Lewandowski (2),Aubameyang (-).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen